Am Anfang unserer Reise zu den Möglichkeiten, die Kommunikation im Lehrgang zu optimieren, haben wir darüber nachgedacht, warum neue Ideen nicht einfach umgesetzt werden. Aus den skizzierten Ursachen konnten wir bereits einige Schlüsselfragen für besseren Unterricht entwickeln. Heute gehen wir einen Schritt weiter und betrachten einmal eine wesentliche „Tücke“ der menschlichen Kommunikation ...
Wenn nur die Menschen nicht wären... Es geht immer um Beziehungen!
Eben kein Selbstgespräch
Der Literat Kurt Vonnegut brachte es auf den Punkt: „Wenn nur die Menschen nicht wären. Ohne sie wäre die Erde ein Paradies.“ Sobald Menschen miteinander in Kontakt treten, wird es kompliziert, spannend, unvorhersehbar und manchmal höllisch...
Der zentrale Grund dafür ist unsere radikale Beziehungsorientierung: Wir brauchen den bzw. die anderen Menschen. Nicht nur aus praktischer Sicht, um in der Welt zu (über)leben, sondern auch, um uns selbst gewahr zu werden und uns im wahrsten Sinne des Wortes zu erkennen. Denn ohne die Rückmeldung anderer existieren wir nicht. Erst durch die Sicht unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, zum Beispiel im Lehrgang, machen wir uns ein Bild von uns selbst. Erst durch die Bestätigung oder Ablehnung unserer Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer erleben wir als Dozentinnen und Dozenten unseren Selbstwert in der Lehrgangsgemeinschaft.
Deshalb geht es in Unterrichtsgesprächen auch immer um Macht, Status und Anerkennung: Sobald wir in einem Gespräch Wertschätzung erhalten, finden wir unser Gegenüber und auch seine bzw. ihre Gedanken sympathischer. Doch wie stark wirken diese Faktoren tatsächlich?
Mythos Sachorientierung
Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass es in Gesprächen zu nur ca. sieben Prozent um den Austausch von Sachinformationen und Inhalten geht. Die restlichen 93 Prozent dienen der Selbstdarstellung und Fremdbewertung. Verstehen wir uns nicht falsch: Sachinformationen sind im Lehrgang selbstverständlich extrem wichtig – ohne unser Sach-, Fakten- und Prozesswissen hätten wir unsere Errungenschaften nie erreicht.
Beleuchtet man jedoch, wann sich ein Gedanke oder eine Idee durchsetzt, verliert die rein sachlich-logische Argumentation massiv an Bedeutung. In Begegnungen und Argumentationen geht es in erster Linie um (fehlende) Anerkennung, Statusgewinn oder um die Angst vor Statusverlust.
Fünf Faktoren wertschätzender Gespräche
Schauen wir uns die fünf wichtigsten Faktoren wertschätzender Gespräche an:
- Zeit
Nehmen Sie sich für Ihre Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer Zeit – und wenn es nur fünf Minuten mehr als nötig sind.
- Lernatmosphäre
Sorgen Sie für eine angenehme Lernatmosphäre – und wenn es nur „ein Schritt raus“ aus dem intensiven Lernprozess ist.
- Zielklarheit
Stellen Sie Ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern gleich zu Beginn jeder Lehrgangseinheit die Lern- bzw. Gesprächsziele dar, die Sie gemeinsam mit ihnen erreichen wollen, und erklären Sie hierbei auch Ihr geplantes Vorgehen – und wenn es nur eine Flipchart mehr ist.
- Gegenseitigkeit
Versuchen Sie Ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit schlauen, partnerschaftlichen Fragen besser zu verstehen – und wenn es nur die Frage „Was haltet Ihr davon?“ ist.
- Offenheit
Bleiben Sie neugierig und offen für andere Sichtweisen und Lösungen – und wenn es nur ein Testballon bzw. ein Experiment ist.
Probieren Sie es aus: Investieren Sie zum Beispiel bei Ihren nächsten beiden Lehrgangsterminen bewusst etwas mehr Zeit und Engagement in eine noch bessere Beziehung zu Ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Beobachten Sie hierbei, wie sich die Lehrgangsatmosphäre und die Lernergebnisse verändern. Ich bin sicher, Sie werden positiv überrascht sein.
Viel Erfolg und bis zum nächsten Mal, Ihr
Über den Autor
Dr. phil. Gregor Kern
Ausbildung zum Großhandelskaufmann, danach Studium der Pädagogik einschließlich Promotion.
Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen:
- Lernen erwachsener Menschen
- Zusammenarbeit, Kommunikation, Führung
Dr. Kern arbeitete viele Jahre für verschiedene IHKs im Bereich der beruflichen Bildung, zuletzt als pädagogischer Leiter des IHK-Bildungszentrums in Karlsruhe. Seit 2016 ist er freiberuflicher Trainer, Berater und Coach.