Interview mit Bernd Müller-Hepp und Dr. Gordon Schenk
Herr Müller-Hepp, was steckt hinter dem Grundsatz „Wer lehrt, prüft nicht“?
Bernd Müller-Hepp: Die IHKs haben den öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Prüfungen fair, objektiv und valide abzunehmen. Fairness und Objektivität sind aber nur möglich, wenn die Prüferinnen und Prüfer unabhängig davon prüfen, wie gut sich eine Prüfungsteilnehmerin oder ein Prüfungsteilnehmer im Vorbereitungslehrgang präsentiert hat. Der gesetzliche Hintergrund besteht somit im Gleichbehandlungsgrundsatz.
Ist es nicht aufwendig, die Prüfungsausschüsse so zu besetzen? Die Dozentinnen und Dozenten wären doch bestens geeignet.
Bernd Müller-Hepp: Die Dozentinnen und Dozenten sind als Prüferinnen und Prüfer immer herzlich willkommen. Es geht lediglich darum, dass sie keine Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer eigenen Lehrgänge prüfen. Das ist zwar für uns in der Prüfungsorganisation eine Herausforderung, aber es geschieht auch aus Selbstschutz.
Nehmen wir an, jemand fordert, dass eine bestimmte Dozentin oder ein bestimmter Dozent für ihn oder sie als Prüferin bzw. Prüfer eingesetzt wird. Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Prüfung dann einfacher und Antworten wohlwollender interpretiert werden würden. Faktisch wäre das aber allen anderen an der Prüfung Teilnehmenden gegenüber unfair und die Bewertung wäre in der Tat nicht objektiv.
Die andere Möglichkeit wäre, dass jemand eine Prüferin oder einen Prüfer nicht akzeptiert, weil es zuvor in der Rolle der Dozentin bzw. des Dozenten im Lehrgang schon Spannungen gab.
In beiden Fällen drohen den IHKs Befangenheitsanträge und Rechtsstreitigkeiten, denen wir am besten präventiv begegnen, indem wir uns an unsere bewährte Prüfungskultur und Prüfungsphilosophie halten, die in dem genannten Grundsatz zum Ausdruck kommt.
Dr. Gordon Schenk: Ich ergänze noch, dass sich der Grundsatz bereits positiv auf die Qualität der Lehre selbst auswirkt. Alle Dozentinnen und Dozenten wissen, dass sie ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende nicht selbst prüfen werden. Es gilt für sie also wie auch später für die Prüferinnen und Prüfer, sich nicht zu verzetteln, auf persönliches Spezialwissen zu verzichten und immer das von der Verordnung vorgegebene Niveau zu beachten. Insofern könnte man also sagen: Wer lehrt, prüft nicht – und diese Trennung fördert die Zielorientierung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.