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Einfach gesagt - gar nicht so einfach ...

Experteninterview
Mehrere Personen stilisiert mit sehr kleinen Köpfen halten Puzzleteile. Fragezeichen um die Köpfe der Personen

© GettyImages

Bei der Erstellung schriftlicher Prüfungen arbeiten alle Beteiligten daran, dass Formulierungen einfach zu verstehen sind. Ob Wortwahl, Satzbau oder Sprachstil, sie orientieren sich an bewährten Empfehlungen für die sogenannte „einfache Sprache“. Doch was ist mit mündlichen Prüfungen und Fachgesprächen? Wir haben mit einer Expertin und zwei Experten über diese Frage gesprochen.

Frau Klenner, wie steht es um verbindliche Vorgaben für die IHK-Prüferinnen und -Prüfer, in der mündlichen Prüfung eine einfache Sprache zu verwenden?
Franziska Klenner:
Grundsätzlich achten Prüferinnen und Prüfer schon von sich aus darauf, sich klar auszudrücken und  Fragen oder Arbeitsaufträge so verständlich wie möglich zu formulieren. Missverständnisse kosten wertvolle Prüfungszeit und führen im schlimmsten Falle sogar zu Widersprüchen und Klagen – das will niemand.

Aus gutem Grund haben wir als IHK aber keine Weisungsbefugnis, wie die Prüfenden die Fragen stellen. Sie sind die  Fachexpertinnen und Fachexperten und somit ist es ihre Aufgabe, das von der Prüfungsverordnung geforderte Niveau fachlich und damit auch sprachlich im Prüfungsgespräch zu validieren. Als IHK liegt es an uns, unsere Prüfenden immer  wieder für die einfache Sprache zu sensibilisieren und Trainings anzubieten. Einfache Sprache braucht ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Offenheit und Übung.

Glenn Rühmkorb: Ich ergänze hier gleich, dass jede und jeder Teilnehmende anders ist. Und es führt nicht nur eine Prüferin bzw. ein Prüfer das Gespräch. Das heißt, dass wir uns im Prüfungsausschuss am Anfang jeder Prüfung immer wieder neu darauf einstellen, welche Deutsch- und Kommunikationskompetenzen eine Prüfungsteilnehmerin oder ein Prüfungsteilnehmer mitbringt. Die Teilnehmenden geben schon bei der Begrüßung unbewusst wichtige Signale, auf welchem Sprachniveau sie kommunizieren, und wir Prüfenden versuchen, uns darauf einzustellen. Allerdings, das muss auch gesagt sein: Die Prüfungsverordnung fordert in vielen Punkten das Verständnis und die korrekte Verwendung von Fachbegriffen. Wir haben es also immer auch mit Mindestanforderungen zu tun, die wir nicht einfach „unterlaufen“ können.

Dr. Gordon Schenk: Darauf kommt es tatsächlich an. Wir reden von sehr heterogenen Teilnehmenden, von vielen tausend IHK-Prüferinnen und -Prüfern mit ihrem individuellen Sprachgefühl und Ausdrucksvermögen und wir reden von verschiedenen Prüfungsniveaus. Von der Ausbildung über die Sach- und Fachkunde bis zur Höheren Berufsbildung haben wir es mit steigenden Kommunikationskompetenzen zu tun, die wir von den Teilnehmenden erwarten dürfen und sogar erwarten müssen. Die Wirtschaft vertraut schließlich darauf, dass IHK-geprüfte Fach- und Führungskräfte auf Bachelor- und Masterniveau auch über entsprechende Kompetenzen beim Hörverstehen, beim Lesen, Schreiben und in der mündlichen Kommunikation verfügen.

Glenn Rühmkorb: Das stimmt natürlich. Ich erinnere gleichzeitig daran, worauf die Berufliche Bildung und die Prüfungen insgesamt abzielen: Fachkräftesicherung. Im Bewachungsgewerbe können Personen an der Prüfung teilnehmen, deren Deutschkompetenzen nur wenig über dem B1-Niveau eines Fremdsprachenerwerbs liegen. Einfacher gesagt: Wir prüfen hier sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten, die mit einem „anspruchsvollen“ Deutsch schnell Schwierigkeiten haben. Warum hat der Gesetzgeber das ermöglicht? Weil wir die Fachkräfte dringend brauchen.

Berufliche Bildung heißt handlungsorientierte Qualifizierung und Kompetenzvalidierung, je nach Abschluss auf verschiedenen Sprachniveaus. Darauf müssen wir Prüfende uns eben auch einstellen, indem wir bewusst Sprachbarrieren abbauen: keine unnötigen Fachbegriffe, keine Fremdwörter, keine „gestelzten“ Formulierungen, keine Redewendungen usw. Durch einfache Sprache können mehr Menschen einen erfolgreichen Weg in der Berufswelt gehen. Unsere Wirtschaft braucht diese Menschen und berufliche Integration ist eine Voraussetzung für gesellschaftliche Integration.

Franziska Klenner: Hier wird auch deutlich, dass sich einfache Sprache nicht auf die schriftliche und mündliche Prüfung beschränkt. Wir müssen die Sensibilität für sie bereits bei den Ausbilderinnen und Ausbildern und bei unseren Dozentinnen und Dozenten fördern. Noch weiter gedacht sind auch die Lernmaterialien mit Blick auf eine einfache Sprache weiterzuentwickeln, das Bildungsmarketing ist unter dieser Perspektive zu reflektieren und die gesamte Kommunikation einschließlich der Verordnungen und Verwaltungsprozesse ist zu prüfen. Das zeigt die Größe dieser Aufgabe. Aber angesichts des Wandels unserer Gesellschaft wäre es sicher richtig, das anzugehen. Ich bin froh, dass wir in unserem Verantwortungsbereich schon damit begonnen haben.

Dr. Gordon Schenk: Viel Widerstand entsteht dadurch, dass einfache Sprache allzu schnell mit einem Verlust der fachlichen Qualität gleichgesetzt wird. Das ist von der Intention her aber nicht der Fall. Einfache Sprache ist eher als eine ständige Herausforderung zu verstehen: Wenn wir etwas einfacher und verständlicher formulieren können, dann sollten wir das auch tun – im Interesse derjenigen, mit denen wir zum Beispiel in einer Prüfung sprechen, und um selbst besser verstanden zu werden. Einfache Sprache verlangt Einfühlungsvermögen, Wollen und Können. Das erste erfordert Selbstreflexion und Menschenkenntnis, das Wollen ist für jede Prüferin und jeden Prüfer eine Selbstverständlichkeit und das Können ist erlernbar.

Ich werbe an dieser Stelle gerne dafür, an den Trainings teilzunehmen, die viele IHKs und die DIHK-Bildungs-gGmbH den IHK-Prüferinnen und -Prüfern für diese anspruchsvolle Herausforderung anbieten – einfache Sprache lohnt sich!

Frau Klenner, Herr Rühmkorb, Herr Dr. Schenk, vielen Dank für diese wertvollen Impulse!


VON WELCHEM NIVEAU DIE REDE IST

Leichte Sprache

Einfache Sprache

Die „leichte Sprache“ soll allen Menschen, die über sehr eingeschränkte Kompetenzen in der deutschen Sprache verfügen, das Verstehen von Texten und Wortbeiträgen  erleichtern. Texte in leichter Sprache werden vor der Veröffentlichung von Menschen mit Lernschwierigkeiten unter anderem auf Verständlichkeit geprüft. Die leichte Sprache ist ein wichtiger Baustein, um die Barrierefreiheit, Inklusion und die Integration von Menschen mit großen Problemen beim Verstehen der deutschen Sprache zu verbessern.

Einfache Sprache will in erster Linie verständlich sein. Im Unterschied zur leichten Sprache bleiben beispielsweise Formulierungen aus Haupt- und Nebensätzen erhalten und werden nicht in aneinandergereihte Hauptsätze überführt. Im Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung wird auch die  Bezeichnung „bürgernahe Sprache“ verwendet, um eine bewusste Abkehr von einer „Behördensprache“ oder vom „Juristendeutsch“ zu kennzeichnen.


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Zur Person

Franziska Klenn
Rechtsreferentin Gewerbe- und Prüfungsrecht,
Bereich Berufszugang IHK Berlin

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© Glenn Rühmkorb

Zur Person

Glenn Rühmkorb
Geschäftsführer der BBS Security, Berlin
seit 22 Jahren ehrenamtlicher Prüfer für die Sachkundeprüfung im Bewachungsgewerbe bei der IHK Berlin

Schenk Gordon

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Zur Person

Dr. Gordon Schenk
Referatsleiter Kaufmännische Fortbildungsprüfungen bei der DIHK, Berlin