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A new challenge

Mit den neuen Abschlussbezeichnungen steigen auch die Anforderungen
Learning English auf dem Hintergrund einer britischen Flagge aus Puzzleteilen

© GettyImages

Seit der Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und der Einführung der neuen Abschlussbezeichnungen „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ werden nach und nach alle Prüfungsverordnungen der Höheren Berufsbildung überarbeitet. Entsprechend der formalen und inhaltlichen Änderungen müssen auch die Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Prüfung weiterentwickelt werden. Wir sprachen mit Jutta Wiedemann darüber, was das in der Praxis bedeutet.

Frau Wiedemann, Sie haben Ende 2020 ihren ersten Lehrgang zur Vorbereitung auf die neue Prüfung „Geprüfter Betriebswirt nach dem Berufsbildungsgesetz/Geprüfte Betriebswirtin nach dem Berufsbildungsgesetz – Master Professional in Business Management“ gestartet. Das war der erste Lehrgang auf Master-Niveau nach der BBiG-Änderung und den mussten Sie aufgrund der damaligen Corona-Situation zudem als Online-Lehrgang realisieren. Wie sind Sie diese Herausforderung angegangen?

Jutta Wiedemann: Tatsächlich waren wir bei uns im Team erst einmal sehr überrascht, als wir die Vorgaben der neuen Verordnung vor uns hatten. Der Abschluss war ja schon immer anspruchsvoll, aber das hatte jetzt eine neue Qualität.

Inwiefern?

Vor allem die Anforderung, dass Prüfungsteile in Englisch stattfinden werden, hat uns vor die Frage gestellt, wie wir unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer darauf effizient vorbereiten können.

Außerdem sind die Anforderungen an ein vernetztes Denken und Handeln deutlich gestiegen. Aus Sicht der Unternehmen, in denen die Absolventinnen und Absolventen später arbeiten, sind das sicher Schritte in die richtige Richtung. Englisch ist die Wirtschaftssprache schlechthin und in der Berufspraxis kommt es mehr denn je auf Handlungskompetenz an. Die Frage lautete für uns also: Wie machen wir das? Mit welchen Dozentinnen und Dozenten bekommen wir diese Vernetzung der Themen hin, die vorher viel klarer abgegrenzt unterrichtet werden konnten? Wie bekommen wir das in einen strukturierten Plan für den Lehrgang, den Lehrende und Teilnehmende mitgehen?

Und wie haben Sie diese Fragen gelöst?

Wir haben eine Reihe von Entscheidungen gefällt. Eine wichtige war beispielsweise, dass unsere Dozentinnen und Dozenten auf jeden Fall Englisch einbinden sollen, dass wir aber keinen Englischunterricht geben werden. Stattdessen haben wir auf das Online-Englischtraining gesetzt, das die DIHK-Bildungs-gGmbH in Kooperation mit der Firma Speexx speziell für angehende Betriebswirte entwickelt hat. Zusammen mit anderen IHK-Kolleginnen und -Kollegen konnte ich das Produkt zum Glück frühzeitig ausprobieren und mich vergewissern, dass diese Lösung wirklich gut funktioniert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bringen ja unterschiedliche Englischkompetenzen mit, da würde ein gemeinsames Englischtraining die einen über- und die anderen unterfordern.

Speexx startet mit einem Online-Einstufungstest und leitet aus den Ergebnissen einen individuellen Lern- und Trainingsplan ab, der das Vokabular, die Grammatik, spezifische BWL-Fachbegriffe und mündliche sowie schriftliche Kompetenzen abdeckt. Als optionales Angebot für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer funktioniert das sehr gut. Jeder entscheidet für sich, das zu nutzen oder einen anderen Weg zu wählen, um in Englisch fit für die Prüfung zu sein.

Welche weiteren Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Wir haben uns mit Kolleginnen und Kollegen anderer IHK-Weiterbildungseinrichtungen ausgetauscht und Kriterien gebildet, was unsere Dozentinnen und Dozenten können müssen, um die gestiegenen Anforderungen zu erfüllen und das veränderte Lehrgangskonzept umzusetzen. Dazu zählen natürlich gute Englischkompetenzen. Die Teilnehmenden sollen zum Beispiel
Arbeitsergebnisse auf Englisch präsentieren oder Summaries schreiben, die müssen die Lehrenden dann auch beurteilen können.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, dass die Dozentinnen und Dozenten bereit sein müssen, ihre Rolle zu reflektieren. Die Prüfungsverordnung zielt vor allem auf bereichsübergreifendes Anwenden. Das erfordert eine andere Form der Lehre und eine enge Abstimmung zwischen den Dozentinnen und Dozenten. Wir brauchen echte Praktiker.

Sie haben also das Lehrgangskonzept ziemlich umgekrempelt. Wie haben die Dozentinnen und Dozenten bzw. die Teilnehmenden reagiert?

Es war wirklich wichtig, dass die Dozentinnen und Dozenten sich auf das neue Konzept und die neuen Anforderungen einlassen. Dafür gab es auch viel Verständnis und Unterstützung. Wer sich die neue Verordnung anschaut, versteht sofort, dass wir im Interesse der Prüfungsvorbereitung der Teilnehmenden die Kriterien verändern mussten.

Den Teilnehmenden sind die veränderten Anforderungen umso klarer geworden, desto näher die Prüfungen rücken. Die meisten hatten bereits einen Abschluss als Fachwirt gemacht und kannten daher das „klassische“ Lehrgangsformat und
die bisherige Art der Prüfungen. Für die neue Verordnung gab es aber keine „alte“ Prüfung zur Orientierung, das hat zu großer Unsicherheit geführt. Den Dozierenden ging es natürlich genauso. Alle meistern die Herausforderung gemeinsam
wirklich toll.

Die Prüfung findet im Frühjahr 2023 statt. Können Sie schon etwas darüber sagen, wie das Konzept funktioniert?

Das Konzept ist eine Herausforderung, aber eine, die von allen Beteiligten angenommen wird. Es funktioniert gut. Im Laufe des Lehrgangs haben wir natürlich noch die eine oder andere Anpassung vorgenommen, das werden wir auch weiterhin tun. Wir befinden uns in einem Entwicklungsprozess, um den Lehrgang immer besser auf die neue Prüfungsverordnung auszurichten und das Online-Lernen noch stärker zu implementieren. Im November startete der zweite Online-Lehrgang, Präsenz-Lehrgänge bieten wir ab 2023 ebenfalls an. So können wir in unserem Team und auch durch den Austausch mit
anderen IHK-Weiterbildungseinrichtungen immer mehr Erfahrungen sammeln. Es ist toll zu erleben, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Die größte Anerkennung verdienen aber sicher die Teilnehmenden, die eine so anspruchsvolle Weiterbildung absolvieren, und die Dozentinnen und Dozenten, die die Intention
des Masterabschlusses im Interesse unserer Absolventinnen und Absolventen in echte Fach- und Führungskompetenzen übersetzen.

Frau Wiedemann, herzlichen Dank für Ihren Erfahrungsbericht und die wertvollen Anregungen.

Wiedemann Jutta__WEB

Jutta Wiedemann, Weiterbildungsberatung Distance Learning, Lehrgangsorganisatorin, IHK-Akademie Koblenz

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